JOHANN KARL REICHARD
(1700-1753)
Bearbeitet von Rosina T. Schmidt
Dokumente gütigerweise
zur Verfügung gestellt von Barbara Kümritz, eine Nachfolgerin des
Pfarrers Johann Balthasar Reichard (* Biebesheim,
+11.8.1728 in Ober-Ramstadt), den Vater von Johann Karl.
Am 20 April 1722
sandte Kaiser Karl VI. Einen Brief, ein sogenantes kaiserliches ‘Angesinnen’
an den Landgraf Ernst-Ludwig von Hessen-Darmstad, in dem er um ‘teutsche
leuthe’ für das menschenarme Banat bat. Die hessen-darmstäditsche
Landgrafscahft war ganz protestantisch.
Hier der Brief im
Wortlaut, das im Hessischem Staatsarchiv Darmstadt, Abt. XI. Fol. 61-64
aufbewahrt wird:
“Dem Durchlauchtig – Hochwohlgeborenen Ernst-Ludwig Landgrafen
zu Hessen, Fürsten zu Hirschfeld, graffen zu Calzenellenbogen, Dietz,
Zigenheimb, Nidda, Schaumburg, Isenburg, Büdingen unserem lieben Oheimb und
Fürsten.
Carl der sechste von Gottes gnaden Erwählter Römischer Kaiser
zu allen Zeiten mehrer des Reichs.
Durchleuchtig Hochgebohrener lieber Oheimb und Fürst. Wir mögen
deiner Durchleucht gnädigst nicht bergen, wesgestalten hin und wieder im
Römisch Reich eine Anzahl von ohngefähr Sechshundert teutschen Familien und
darunter auch einige aus dero lande sich bey unserer in dem Temesvarer Banat
aufgestellten kaiserl. Administration angegeben, das Sie dahin Abzuzihen und
sich allda niderzulassen gesonnen seyen.
Wann nun dem gemeinen Christlichen Wesen höchst nothig und
verträglich seyen will, die von dem Erbfeind, im letzterem wider denselben
geführten grossen Krieg eroberte und von Inwohnern sehr entbleste lande, als
eine Vor-Mauer der Christenheit mit Teutschen leuthen zu besetzen; Als
gesinnen wir an deine Durchleucht hiermit gnädigst, Sie wollen diejenigen
Familien, so sich aus obgedacthtem dero Lande nach unserem Erbkönigreich
Hungarn zu begeben, willens seynd nicht allein gerne ohne entgelt entlassen,
sondern die beliebige Verfügung thun, damit unser zu übernehm- und
herabführung deroselben befeichter Ober-Verwalter Franz Albert Krausz mit
gedachten Familien und deren bey sich habenden Hausgeraith und andere
zugehörigen sachen gegen Verzeigung unseres aus Unser
Kaiserl. Gehim Reichs-Hof-Cantzley gefetigten und von uns
eingenhändig unterschriebenen Kaiserl. Orginal-Passes allerorthen zu Wasswer
und Land, frey, sicher und unaufgehalten, ohne Abforderung einger Mauthzoll,
Aufschlag oder derley Anlagen, passirt, und denenselben zu förderlicher
fortkommung aller gutter Will und Vorschub erwiesen werden möge, hieran
erwiessen Durchleucht einen dem gemeinen Christlichen Wesen zur Wohlfahrt
aungedeichenden guten Dienst, und uns anbey einen besonders angenehmen
Gefallen, den wir gegen dieselbe in alle weg zu erkennen unvergessen seyn
werden und Durchleucht mit Kaiserl. Gnade und allem guten wohl beyn gethan
verbleiben.
Gehen in unser Statt Wien den zwanzigsten April Ao
Siebenzehnhundert zwey und zwanzig unserer Reiche, des Römischen im eylften,
des Hispanischen im neunzehnden, des hung. Und böhmisch: aber im zwölften
Carl.
“Vt (vidit) Hezog Schönborn.
Ad mandatum Sacaee Caesae Maiestatis proprium E. Fr. Glaudorf.”
In "Geburts-, Trau-
und Sterberegister 1617-1712" (Seite 737) des evangelischen Pfarramtes zu
Ober-Ramstadt im Hessen steht die folgende Eintragung:
“ Anno 1723. Nach deme das
Wild im gantz land dergestalt in der Menge angewachsen, das den Bauersman kaum
etwas im feld erhalten, auch die Beschwerung so stark worden, dass selbiger
Landman ohnmöglich fragen und abstatten können, der Römischer Kayser Carolus
aber die jenige wüste örter, so er in Ungarn gegen Siebenbürgen, ahm Türken
abgenommen gerne mit Teutschen Menschen wolte besetzen und wohnhabahr machen
zogen aus hiesiger Gemeinde Nachfolgende Seelen in Ungarn:
Johannes Orth mit Weib
und 5 Kinder,
Johannes Knorr mit
Weib,
Johannes Baumann Weib,
2 Kinder,
Heinrich Österreicher,
Weib, 5 Kinder,
Hans Peter Rindfuss,
Weib und 5 Kinder,
Conrad Rindfuss, Weib
und 1 Kind,
Heinrich Schmitt, Weib
un 5 Kinder,
Johann Schmitt, Weib
und 4 Kinder,
Johann Jacob Weiss,
Weib und 2 Kinder,
Hans Seebald Lass,
Weib, 6 Kinder,
Georg Nicol Ramgen +
mortus AD 1724, Weib 4 Kinder
Peter Kroh, Wife und 4
Kinder,
Heinrich Schönbein,
Excor: Weib,
Anton Kohl, Weib,
Nicol. Handschuh, Weib
und 3 Kinder,
Nicol. Daub, Weib, 1
Kind,
Gertrud Freyler, von
Frankenhausen, Wittwe,
Ludwig Gottfried Guth,
dieser ist wieder admittiert 1725 mit Weib.
Summa 82 Seelen.
Anno 1724 im Frühling bekam
mein des hiessigen Pastors ältester Sohn, Joh. Carolus Reichard, von denen in
Ungarn sonderlich im Marktflecken Langenfeld sich befindenden Evangelischen
eine Vocation, welche er grossmütig, nachdem er es mit Gott überlegt,
acceptiert, und da er die 6 Wochen auf der Reise gewesen, ist er ganz frey auf
besagter Gemeinde Kosten glücklich hinkommen, allwo man ihn und sonst keinen
mehr angenommen und Nota der Kayserlichen Administration der Gemeinde
Langenfeld zum Pfarrer präsendiert und vorgesetzt, ihm auch zugleich die
Filial Petrillowa und das Bergwerk samt den evangelischen Bergleuten zur
Amtsverwaltung übergeben. Es liegt dort im Temeswahrischen Banat zwölf Meul
von Belgrad und Temeswar und weil er dies Werk in Gottes Namen gewagt, umb die
armen Seelen zu erhalten, hab ich zu Gott das Vertrauen, er werde ihn, solange
er sein Amt führt, schützen und versorgen und ihm Gnad und Segen geben,
welches herzlich wünschet dessen Vater Reichard. N. B. 1725 ist er allda
transferiert und 50 Meilen herwärts.”
Brief des Langenfelder
Lehrers Boy an seinen Vogt gerichtet nachdem Pfarrer Reichard am 24. Mai 1724
angekommen ist:
"...alsbald nach seiner
ankuft nacher Langenfeld gebracht von den Bürgern mit sicherem geleith, des
morgens aber haben wir dem Herrn Commandanten (Saalhausen) gemeldet, welcher
gesagt, es seye schon recht, dass es Gott einmahl so weith geschickt,
dieweilen es aber die Catholischen Mönche erfahren, da sollte man den Lermen
gehört haben, den 3ten Tag aber kommt Ihro Excellenz Herr General Mercy
unvermutet, da ging solches erst recht an, da hätte einer das Laufen und
Rennen sehn sollen und die Wuth der Pfaffen. Man schickte gleich nach
Langenfeld nach obgennanten Herr Reicharden Ihn zu holen. Er aber
unerschrocken marschierte hinein, ist aber freundlich von des H. Generals bei
scih habender Administration empfangen, hingegen aber scharf examiniert worden,
worauf dann Ihro Excellenz General gesprochen, es seye schon recht, dass er
hier waere. Er habe dem Herrn Bergdirektor, welcher Evangelischer Religion den
ersten versrpochen, der in das Banat käme, denn es sind lauter Sachsen im
Bergwerk, als aber unser schultz und andere mehr wiedersprochen in gleichem
auch Kaspar Mehrberg, dass man viel Unkosten wegen seinerthalben habe
aufgewendet, so hat man es wieder ganz geändert, dass er nach Peter Illova
sollte, welches zwischen dem bergwerk und unserem Ort Langenfeld lieget,
allein man hat unbstandlich angehalten bis man es erlanget, dass er alle 8
oder 14 Tag zu Peter Illova predigen muss, allwo die Bergwerk Officianten sich
gleichfalls einfinden müssen, daselbst Gottes Wort zu hören und die hl.
Sacramente zu empfangen. Es hat auch obgedachter H. Reichard alsbald in
schneller Eil hinuüber ins Bergwerk gemüsst, allwo die Gelegenheit zu besehen,
welcher auch herrlich empfangen und mit Freuden augenommen, der Meinung er
würde bei ihnen bleiben. Es hat sich auch die Generalität daselbst eingefunden,
samt der bei sich habenden ganzlichen kaiserlichen Administration allda hat
schon mehrgedachter H. Reichard seine Instruktion übernommen."
Brief des Pfarrers Johann Karl Reichard an Pfarrer
Surdorff zu Adelsheim vom 3. Juni 1724
“ Dass ich versprochener
massen nicht schon längst geschrieben, war die Schuld unserer späten Ankunft
in der Wallachei, als wir vermeint. Dann wir uns auf der Reise oft lang
aufhalten mussten, teils wegen Ausrichtung an den Pässen und Abwechslung der
Schiffsleute als Ofen und Wien, teils wegen zu weil eingefallenen Windes, der
uns am Fahren verhindert, wodurch es dann geschehen, dass wir vor 8 Tagen als
den 23ten Mai erst angelanget. Zu Marxheim, welches ist ein Dorf 2 Stund unter
Donauwörth, da die Einschiffung ist, haben wir 8 ganze Tage warten müssen,
wegen der unbeschreiblichen Menge Leute, die dorten liegen. Wie eine kleine
Armee, obgleich täglich davon abgegangen, so hat man es doch wenig gespürt,
als wenn ein Tropfen Wasser aus dem Fluss genommen wird. Hier im Banat sind
die deutschen bis 10 wohlbewohnter Dörfer stark, nur um Ujpalanka her, Obhin
gegen Temesvar wohnen ebener massen nicht weniger, allwo jetzo auch eine ganz
neue Stadt, nahmlich Arad, angelegt wird. Meine Wohnung habe ich zu Langenfeld,
welches ein pläsirlicher Ort ist, von 113 Einwohnern, an dem ich von der
kaiserlichen Administation bin confirmiert worden, und soll da in die 3
Stunden weit davon entlegener fast eben so starker Ort Petrillova als ein
Flillial versehen, wegen der nicht weit davon im Kupferbergwerk arbeitenden
Evangelischen samt dem Bergdirekter und anderen Bedienten. Die Gemeinde hat
meine Ankunft sogleich H. Kommandanten von Saalhausen zu Ujpalanka angesagt,
der es dem Herrn Feldmarschall Mercy, welcher des anderen Tages dahin kommen
zu unseren besten hinterbracth, worauf ich zitiert, und doch erst die Sache
nach 5 Tage ausgemacht worden zu Oravitza im Bergwerk, da ich mich auf H.
General Befehl in die 3 Tage habe aufgehalten, bis man mir beiligende
Instruction eingehändigt, in welcher aus Respekt das Bergwerk zu erst unter
meine Obhut ist gedacht worden. Sonst gefält mir sehr hier, weil ich auch
nicht so gar ohne Conversation bemelter Leute leben darf. An Nahrung habe
keinen Mangel und mir alles wohl feil ist. Krebs, Fisch, Hasen, Feldhühner,
Fasanen sind gar um ein geringes zu haben, und werde heute von solchen meinen
Teil, die mir verehrt sind worden, verzehren. Wünsche nur, dass ich Sie könnte
zu Gast bitten. Das schönste Wasser, als man es in Deutschland finden mag,
haben wir hier, aus den Bergen die nicht hoch quillen – und ein angenehmer aus
dem Gebirg stegender Fluss, von Fisch und Krebs reich, macht unser Ort und
Gegend lustig, dass mich also meine Reise, die ich Gott sey Dank gesund obwohl
beharlich zurück gelegt, nicht gereut. Vor meiner Nahrung mag ich nicht sorgen,
dann ich sehe, dass mir Gott mehr beschert, als ich wert bin und nötig habe.
Nichts wollt ich wünschen, als dass H. Pfarrer die Freude sehen sollten, die
von denen schon in der 7 und mehr Jahr im hiesigen Land wohnhaften
Evangelischen über meine Ankunft verspüret wird, nicht sowohl will ich sagen
von Gemeinen, als derer von Kondition, gedenk welche sich in grosser Zahl in
denen Städten befinden, so mich den begierig macht, desto eifriger Werk zu
arbeiten. Und ob ich schon eine unbeschreibliche Mühe habe, so tue es doch
sehr gerne, weil ich eine Grosse Nutzen finde, welches sich Gott ins künftige
noch mehr durch mich schaffen wolle. Nur dieses bedauere, dass mir expresse
gesaget worden: Es sole nur ich allein und keiner mehr im Banat tolerieret
werden. Da ich dann alle Arbeit auf mir liegen habe, ich hoffe aber doch, es
werde der Herr der Ernte, den wir desweg bitten, noch Arbeiter in seine Ernte
senden. Denn die Ernte ist sehr gross.
Unsere Deutsche haben sich
schön eingewönt, dass eine rechte Lust ist, wo man auf deutsche Art gebautes
Feld sieht, welches auch wegen seiner Fruchtbarkeit zu bewundern, dann es
alles hervorbringt. Die Erde hat eine Farbe etwas schwärzer als Asche. Und was
bei uns mit Mühe gepflanzet wird, das habe ich auf der Donau in den Inseln
gefunden, aber von wilder Art, als Weinreben in grosser Menge mit den
schönsten Trauben, an den (Stamm) der Bäume gleich der Hopfen hinaufwachsen.
Spargel dern ich gessen und haben so delikat als unsere gebaute geschmeckt.
Wilde Kirchen, Ellen hoch von der Erde auf kleinen Bäumlein hängen, haben
einen Geschmack wie die Weichsel und Form wie die Süsskirschen. Diese habe ich
auf einer wilden Heide in grosser Menge gefunden. Wir haben eine fast
unerträgliche Hitze hier, und hat auch in langer Zeit nicht geregnet. Des
Nachts ist es in diesem Lande sher kühl und ordentlich des Tages warm. Es ist
auch in diesem Land eine Glasshütte, unweit von hier auf (…). Eine Kuh mit dem
Kalb wird ordinare verkauft für 5 Gulden, ein gemein Pferd für 10 bis 15
Gulden, das schönste für etwas 20 Gulden, wovon ich mir eines zugelegt. Alle
so hierherin wolln ziehn, müssen aber an der Donau 200 oder 150 Gulden
aufweisen, und ihren Fuhrlohn zahlen, weil zuvor die Leute, so auf kaiserliche
Kosten gefahren, in Oberungarn ausgestiegen, und sich unter die Grafen und
Edelleute ansässig gemacht. Deswegen so jetzt von Kopf 1 G. zahlen müssen, als
dann mögen sie austeigen wo sie wollen. Dass sie so viel müssen aufweisen,
geschieht darum, damit das Land von Bettelleuten nicht ausgfüllet werde, denn
anfangs viele hereingezogen, doch habe nich keinen betteln gesehn, wie man
spargirt, wer nur ein wenig Geld mit hereinbringt, kiann sich sehr helfen. Mir
fehlt nichts mehr, als dass ich eine von Marian Schwestern zu Haushalterin
holn könnte. Übrigens wünschte nur eine Stunde bei Ihnen zu sein, damit ich
die Miracula, so ich gesehen erzählen könnte. Aber das ist wohl unmöglich.”
Brief an Amtsvogt Vock
zu Neustetten zu Neustetten vom 8. Juli 1724
"Nach diesem haben wir unsere
Reise nach dem Bannath fortgesetzt, darinnen wir den 15-ten Maji an dem
vocirtem (Langenfeld) Orth ankommen seynd. Da ich nun hier mich befunden,
kamen Ihro Exzellenz Herr General Feldmarschal Graf Merci als Administrator
des Bannaths gen Vipalanca, denen meine Ankunft sobald gemeldet wude, worauf
man zu allererst meine Testimonia zu sehen begehrte, nachgehends musste ich
mich selbst sistieren und wo ich mich nicht genugsam würde haben legitimieren
können, wäre ich daselbst nicht recipirt, wohl aber remittiert worden, dazu
man, wie ich vermerkt, grosse Lust hatte. Doch erhielte eine schriftliche
Instruction (die man auch bey meinem Abschied wieder mit List von mir genommen)
und wurde also doch hauptsächlich wegen der evangelischen Bergleuthen von
hochlöblicher kayserlicher Administration zu einem evangelischen Prediger
aufgenommen. Wie man mich aber an diesem Orth nicht lange tolerriret, solches
zeugt ein von denen Auditoribus (Militägericht) desfals gegebenes Attestatum..."
Pfarrerr Reichards
Brief an Amtsvogt Vock zu Neustetten vom 8. Juli 1724
"Nach diesem haben wir unsere
Reise nach dem Bannath fortgesetzt, darinnen wir den 15-ten Maji an dem
vocirtem (Langenfeld) Orth ankommen seynd. Da ich nun hier mich befunden,
kamen Ihro Exzellenz Herr General Feldmarschal Graf Merci als Administrator
des Bannaths gen Vipalanca, denen meine Ankunft sobald gemeldet wude, worauf
man zu allererst meine Testimonia zu sehen begehrte, nachgehends musste ich
mich selbst sistieren und wo ich mich nicht genugsam würde haben legitimieren
können, wäre ich daselbst nicht recipirt, wohl aber remittiert worden, dazu
man, wie ich vermerkt, grosse Lust hatte. Doch erhielte eine schriftliche
Instruction (die man auch bey meinem Abschied wieder mit List von mir genommen)
und wurde also doch hauptsächlich wegen der evangelischen Bergleuthen von
hochlöblicher kayserlicher Administration zu einem evangelischen Prediger
aufgenommen. Wie man mich aber an diesem Orth nicht lange tolerriret, solches
zeugt ein von denen Auditoribus (Militägericht) desfals gegebenes Attestatum..."
Pfarrer Reichards Brief
and Surdorff, Pfarrer zu Adelsheim
Varsad (Tolna), den 6.
März 1726
“Hocherwürdiger,
Hochgelehrter, Hochzuehrender Herr Pfarrer! Es ist mir unmöglich länger in der
Unwissenheit von denen Contentement zu leben, daher finde mich genötigt, diese
Zeilen abzuschicken, welche mir, so wie ich der gewisse Zuversicht bin, eine
angenehme Nachricht von Ihren und den lieben Angehörigen zurückbringen wollen.
Mein Verbleiben im Banat hat nur ¾ Jahr gedauert, da ich bald darauf einen
Exultanten abgeben musste, der per tot discrimina rerum ein Viertel Jahr
gefährlich herum wandern musste, bis mich endlich der getreue Gott nach
mancherlei Proben wieder in Ruhe und Sicherheit geführt hat, und solches durch
Hilfe Ihrer Excellenz Herrn Generalfeldmarschallen von Mercy, von deren ich
viele Gnaden empfangen, da sie mich in die 2 Monat an ihrer in hiesiger
Herrschaft gelegen Hofstatt, dem jungen H. Grafen de Mercy filio adoptivo
zugehörig, unterhalten haben mit Kost und Logie, bis sich vor mich durch
Gottes Vorsorge eine Tür geöffnet hat, in dem mein Amtsvorgänger wegen
ergangener Klage seiner allzugrossen Nachlässigkeit im Ambt auch wüst üblem
Condult von meiner gnädigen Herrschaft removieret und ich an seine Stelle
gesetzt worden bin, woselbst ich Zeit Dom. 2 post Trinit, des 1725ten Jahres
vergnügt gelebt habe. Neben meinem Ort habe noch ein Fillial, welche beide
Orte 180 Familien ausmachen und kann bei meinem Salario, welches unsere
Herrschaft selbst, sowohl deren katholischer Geistliche als uns gemachet hat,
wohl stehen. In der Mercyschen Grafschaft sind ausser mir noch 2 deutsche
Pfarrer, deren einer Herr Walther 5 Stunden von mir, der andere Tonsor eine
halbe Stunde hiervon, und ist an dem, dass dieses letzteren Orts mir auch noch
als ein Follial gegeben werden sole, weil Ihre kaiserliche Majestät Seiner
Excellenz nur 2 evangelische Pfarrer erlauben werden. Verwicenen Herbst hatte
es das Ansehen, als ob in diesem Königreich eine Reformation gegen die
Protestirenden sollte vorgenommen werden, war auch die facto so weit kommen,
dass wir alle acten Ministeriales unterlassen müssen, es hat sich aber wegen
befürchtender Unruhe bald wieder durch Gottes Regierung gewendet. Die Calviner
sind überaus stark in diesem Land, so dass sie auch mit Macht viel tun konnten,
und lassen sich dahero wenig nehmen, wie auch ihrer angeborener Hartnäckigkeit
bekannt ist. Zur Zeit dieses Aufstandes haben sich Ihre Excellenz Graf General
unserer treulich angenommen, weil die meisten Deutschen in ihrer Herrschaft
evangelish sind, und hat in dieser Sach an den Comitem Palatinum von Palfy
nacher Pressburg geschrieben, welcher Präsident des Consilium Regii daselbsten
ist, und habe ich nebst einem Bevollmächtigten von ihrer Excellenz Graf
Generalen das Schreiben dorthin gebracht, darauf wir unserer Freiheit erlanget,
wodurch der hiesige Ort ist in seinem Religions Exercitio confirmiertet worden,
weil er schon Anno 1719 vor der zu Pest Anno 1721 gehaltenen Commissione
Caesarea mit einem Prediger nostrae Confessione bezetzt gewesen; welche aber
erst nach dieser commission sind eingesetzt worden, durften laut des damalig
(….) nicht geduldet werden. Ich habe hier viel zu tun, weil von allerlei Orten
und Ortchen Leute untereiander wohnen.
…. Die ungarische Krankheit
habe mit Gefahr meines Lebens ausgestanden, wofür Gott Dank gesagt sei, und
bin nun ungarisch eingerichtet. Wir haben dieses Jahr undenklichen Winter mit
Frost und Schnee, welches den Ungarn was Seltenes ist, daher haben sie nicht
mit Heu versehen und muss sehr viel Vieh krepieren.
Schliesslich empfehle mich
nebst cordialer Salution an alle lieben Angehörige und Freunde, Ihrer Faveur,
der ich Sie der Gottes Gnade überlasse und erstrebe
Treu ergebener
Reichard p. t. pastor”
Die Briefe befinden sich
in Privaterchiv des Freiherrn Hans von Berlichingen in Jagsthasusen,
Kirchensachen, 1724-1726
Pfarrer Reichards Lebenslauf
Auschnitte aus Friedrich
Lotz, Bad Homburg Südost-Forschungen Nr. 22 (1963)
Johann Karl Reichard wurde 1700 zu Goddelau als Sohn des
Pfarrers Johann Balthasaar Reichard geboren. Er wurde zum geistlichen Stand
bestimmt. Nach dem Abschluss des theologischen Studiums bekleidete er bis
Frühjahr 1724 eine Hauslehrerstelle in Adelsheim, im hinteren Odenwald, bis
zur Berufung zum Pfarrer in Langenfeld im Banat.
Vom 1. Juni 1724 bis Frühjahr 1725 war er 9 Monate in
Langenfeld und Petrillowa in der Banater Militärgränze seelsorgisch tätig.
Durch die Jesuiten vertrieben begab er sich in Miltärkleidern nach Belgrad,
von wo ihn Mercy auf seine Domäne in die Schwäbische Türkei, Komital Tolanu
berief. In Varsad, das 1718 von Reichskolonisten als erstes
deutschevangelisches Dorf gegründet wurde und in der Fliliale Kalazno wirkte
er vom Sommer 1725 bis 1731. Ab 1729 wurde ihm allerdings die Pfarrtätikgkeit
untersagt.
Währed seiner Amtstätigkeit heiratete Reichard eine ungarische
Adelige aus Raab. Diese unglückliche Ehe und die Verfogung der Protestanten
verleidete ihm 1731 die ungardeutsche Pfarrtätigkeit und er kehrte bitter
enttäuscht nach Hessen zurück wo er das Buch "Erlebnisse in Ungarn"
geschrieben hat.
In den nächsten zwei Jahren (1732-1734) war er in Heldenbergen
bei Herrn Bechtoldsheim Hausprediger, wo er ins Kirchenbuch in lateinischer
Sprache einen kurzen Vermerk eintrug, der übersetzt lautet: “ In Ungarn
verwaltete ich sieben Jahre lang den evangelischen kirchlichen Dienst, teils
aus Mangel an Zuhörern, teils aus Neid und Verfolgung durch die oberste
Kirchenbehörde vertrieben, bin ich in das Vaterland zurückgekehrt. (Pfarrarchiv
Heldenbergen).
Danach diente er von 1734-1740 als Vikar an der Burgkirche in
Friedberg, Oberhessen, und von 1740-1753 daselbst als Burgpfarrer und
Inspektor.
Pfarrer Johann Karl
Reichard starb am 18. Dezember 1753 und ist
in Friedberg begraben.
Feb. 2010